12. Spieltag 2021/22: 1. FC Spich – TVA Hürth Volleyball IV

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Matthias Wiegand

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Alles hät sing Zick!

Aua, mein Kopf! Woher zur Hölle kommt dieser Pelz auf meiner Zunge? Und warum habe ich noch meine Jeans an? Fragen über Fragen an einem Samstagmorgen. Der Blick geht zur Uhr. Von wegen „Morgen“, es ist gleich 13 Uhr. Um 13:30 Uhr muss ich an der Halle sein. Spieltag! Training gestern ging wohl wieder etwas länger. Getreu dem Motto: nie am Tag des Trainings auch wieder nach Hause gehen, fühlt sich alles so an, als wäre das Bier ordentlich gekühlt und die Gesellschaft gut gewesen. Ich quäle mich mit brummendem Schädel aus dem Bett. Anziehen ist nicht nötig, bin quasi noch parat. Tasche ist auch noch gepackt und muss nur noch durch das Trikot ergänzt werden. Dose Energy reingeprügelt. Fertig. Auf dem Weg zur Halle noch kurz beim Bäcker rein. Gegen wen spielen wir noch gleich? Egal, bin fit.

Ungefähr so war das früher. Also vor gut 25 Jahren. Mittlerweile wache ich samstags auf, weil der jüngste Sprössling gegen halb 7 Uhr meint, die Welt entdecken zu müssen, und lautstark auf sich aufmerksam macht. „Das Lächeln eines Kindes entschädigt für alles“ hat mal jemand gesagt. Soll der doch herkommen und die volle Windel wechseln! Also rolle ich mich vorsichtig seitlich aus dem Bett. Früher wegen dem Kater und den Kopfschmerzen, heute weil der Rücken es anders nicht mehr zulässt. Die ersten Schritte sagen mir relativ deutlich, dass das kein guter Tag für eine Sprungsportart ist. Die Knie knacken wieder hörbar. Wenigstens das geht noch.

Während ich das Baby versorge, wird die erste Dose Energy vernichtet. Früher brauchte ich die, um den Pelz zu vernichten, heute wird damit die erste Ibu runtergespült.

Heute ist also Spieltag, und es geht gegen den TVA Hürth. Ich glaube gegen Vertretungen aus diesem Verein (ehem. Fischenich) habe ich in meiner 34-jährigen Zeit als Volleyballer bereits weit über 50 Mal spielen dürfen, und es waren durchaus legendäre Spiele dabei (z.B. Relegation um den Aufstieg 2008 in der Hall of Fame – https://www.youtube.com/watch?v=rD-OW7YIMw4).

Was habe ich mich früher geärgert, wenn ich bei Auswärtsspielen aus Spich kommend nach der Autobahnausfahrt Klettenberg auf der Luxemburger nach Hürth rein 30 Minuten bis zur nächsten Ampel gebraucht habe. Seit 2019 wohne ich der Liebe wegen selbst in Hürth und ärgere mich jetzt über den umgekehrten Weg, wenn ich auf dem Weg nach Spich auf die Autobahn auffahren will.

Bis ich zum Spiel los muss, habe ich aber noch jede Menge Zeit. Zisch! Zweite Dose Energy geöffnet. Sprössling 2 & 3 sind wach geworden und tapsen schläfrig in den Wohnbereich, wo ich sie mit einem gequälten Lächeln in noch immer gebückter Haltung empfange. Mal sehen, ob ich zumindest bis zum Spiel heute Nachmittag aufrecht stehen kann.

„Was machen wir heute?“ ist quasi das Guten Morgen der neuen Generation. Das gilt zumindest für meine Nachkommen. Ich eröffne ihnen also, dass der Papa heute Spieltag hat und es (mal wieder) in die Sporthalle geht. Nach all den Jahren kennen meine Jungs so gut wie jede Sporthalle der Gegend mitsamt Geräteraum und angrenzendem Schulgelände in- und auswendig und die Freude hält sich mittlerweile in Grenzen. Also schiebe in schnell hinterher, dass wir natürlich die NERF Pistolen, die Lasertag-Gewehre, die Stuntroller, die RC-Autos, und und und … mitnehmen und ich nach dem Spiel mit ihnen Volleyball, Badminton, Fußball, Verstecken, Fangen oder sonst was spiele. Und während ich so drüber rede, puhle ich die 2. Ibu aus der Packung und leere die 2. Dose.

Ich habe großes Glück, dass meine Kids das in den vergangenen Jahren so großartig mitgemacht haben und etliche Stunden in diversen Sporthallen mit mir verbracht haben. Selbst wenn ich auf dem Spielfeld stand, war die Betreuung durch die Auswechselspieler, Trainer und manchmal sogar durch das Schiedsgericht immer optimal. Mit Anfang Mitte 20 habe ich selbst noch mit den Kids von meinen damals älteren Mitspielern gespielt, und während deren Väter längst in Volleyballrente gegangen sind, spielt das ein oder andere „Kind von damals“ heute in der 2. oder 3. Bundesliga.

So, mein Ältester hat nun auch endlich seinen Hintern aus dem Bett bekommen. Also erstmal frühstücken. Ein Brötchen muss reichen. Bloß nicht zu viel Masse vor dem Spiel zu mir nehmen. In meiner aktuellen Verfassung entscheiden nämlich schon Millimeter, ob ich nachher beim Spiel über das Netz oder darunter hindurch schlage.

Laut App sind wir heute fast vollzählig. Ein würdiger Rahmen also, wenn da nicht die seuchenbedingten Ausfälle unseres Liberos und dem dienstältesten Zuspieler zu beklagen wären. Spielerisch schon schwer zu kompensieren ist das Fehlen dieser beiden bei diesem besonderen Spiel sicherlich einer meiner negativen Coronahöhepunkte. Wenn man mal davon absieht, dass diese Dreckspandemie mit zwei Saisonabbrüchen und der fehlenden Möglichkeit die alten Knochen regelmäßig in der Halle zu bewegen, den körperlichen Verfall unaufhaltsam beschleunigt hat.

Bis zum Spiel ist es nun nicht mehr lang. Die Sporttasche wird gepackt und das Survival-Paket für die Kinds ist geschnürt. Durch die warme Dusche stehe ich sogar wieder gerade, und das Knacken der Kniegelenke ist in ein leises Quietschen übergegangen. Da geht vielleicht doch was heute! Zisch! Dritte Dose Energy geöffnet.

Wenn alles gut läuft, könnten wir die Saison tatsächlich auf dem 2. Platz in der Verbandsliga beenden. Ohne Corona wären wir damit in der Relegation um den Aufstieg in die Oberliga. Mit oder wegen Corona fällt die Relegation in dieser Saison leider aus. Selbst wenn es am Ende aber doch nur der 3. oder 4. Platz werden sollte, wäre es das beste Abschneiden einer Spicher Mannschaft im Herrenvolleyball seit Gründung. Vor der Saison für mich unerwartet, jetzt dafür aber nicht weniger geil! Da spielt es auch eine eher untergeordnete Rolle, dass die Ligen im Laufe der Zeit schlechter geworden sind.

Ist einfach eine echt coole Truppe, mit der ich diese Saison in der Verbandsliga antreten durfte. Ein heterogener Haufen mit Charakteren aus allen Lebenslagen, wo ich als letzter verbliebener alter Hase schon seit langem den Altersdurchschnitt in die Höhe treibe. Einige der Jungs kenne ich seit sie in der Spicher Jugend angefangen haben, und ich dufte dabei sein, wie sie ein Stückweit erwachsen geworden sind. Nicht nur in der Halle, sondern auch abseits des Sports.

Nach vielen Jahren scheint es so, dass der 1. FC Spich auch für die neue Spielzeit personell gut gerüstet sein wird. Die (jungen) Spicher Urgesteine waren nie so gut, wie heute und auch die nachgerückten Jugendspieler legen endlich die Begeisterung an den Tag, die man früher selbst hatte. 4 bis 5 Mal die Woche Training, Wochenende Spieltag und darüber hinaus noch möglichst viele andere Spiele gucken gehen. Und wenn die Saison vorbei war, waren die freien Wochenenden ohne ein Turnier schnell an einer Hand abgezählt. So war das, und das war gut so.

Training, das “Training” nach dem Training und all die Events drum herum waren über Jahre hinweg meine „Insel“. Alltag aus, Sorgen aus – einfach das machen, was mir am meisten Spaß macht. Für mich wertvoller als jeder Urlaub, und immer wieder habe ich mich gefragt, wie es ohne gehen soll. Unvorstellbar. Was wohl auch der Grund ist, warum ich 34 Jahre lang von Ehrgeiz zerfressen, diesem blöden Ball hinterher gehechtet bin. Nie auf besonders hohem Niveau aber immer hoch motiviert.

Leider musste ich mir in den vergangenen Wochen eingestehen, dass ich immer mehr den Anschluss verliere und es immer schwerer wird, eine Leistung abzurufen, mit der ich den deutlich jüngeren Gegnern noch etwas entgegensetzen kann. Mit nur noch einer Trainingseinheit ist es egal, wie viel ich nebenher laufe, bouldere oder sonst was mache. Ich bin langsam geworden, und die Abschlaghöhe lässt mehr und mehr zu wünschen übrig. Ständige Rücken- und Knieprobleme noch gar nicht mit eingerechnet.

Dieses letzte Heimspiel der Saison heute wird daher mein letztes offizielles Ligaspiel sein. Ich habe lange mit mir gehadert und die Entscheidung vor mir hergeschoben, aber seien wir ehrlich: es wird Zeit. Einen besseren Zeitpunkt wird es nicht geben und bevor Rücken und Knie ihren Dienst komplett quittieren, würde ich gerne noch ein wenig mit meinem Jüngsten gemeinsam durch die Wohnung krabbeln.

Also wird die 4. Dose Energy aufgerissen, und ich mache mich mit Kind und Kegel auf den Weg nach Spich. Ein letztes Mal den alten Körper quälen und ein letztes Mal mit den Spicher Strichern auf Punktejagd gehen. Auch wenn ich ausreichend Zeit hatte, mich mental darauf vorzubereiten, ist es irgendwie ein komisches Gefühl.

So läuft das Spiel auch wie im Film an mir vorbei und wie schon oft in dieser Saison bekommt der Körper nicht das umgesetzt, was der Kopf ihm vorgibt. Der Gegner aus Hürth ist heute irgendwie bissiger und hat in den wichtigen Situationen das Spielglück auf seiner Seite. Trotz toller Kulisse müssen wir uns 3:1 geschlagen geben.

Das war es also. Ich trete mit einer Niederlage ab. Mit Blick auf die komplette Saison gehe ich aber trotzdem erhobenen Hauptes. Beim Training werde ich zwar hin und wieder am Start sein, aber die Wochenenden nehme ich mir ab jetzt frei.

Ich danke allen Mitstreitern der vergangenen 34 Jahre. Danke für viele tolle Erlebnisse und unvergessliche Geschichten.

Beim letzten offiziellen Ligaspiel durfte ich antreten mit: Tobias Szemkus, Tobias ‘Schraubi’ Arpe, Kay Stoebke, Martin Weiser, Sven Pöhle, Christoph ‘Gömmi’ Türk, Olaf, Philipp ‘Long-Dong’ Hannemann, Jan Mayer und Max Schaper

Autor: Holger Alsmann

Anmerkung des Teams: Völlig unvorbereitet hat uns Holger mit dieser Nachricht getroffen – das müssen wir jetzt erstmal sacken lassen. Als Mannschaft sind wir stolz und dankbar dich, lieber Holger, so viele Jahre als absoluter fester Bestandteil des Teams sehen zu dürfen! Stolz, weil nicht nur Dennis Derpa dich bereits bei unserem Aufstieg 2018/19 als lebende Legende titulierte. Dankbar, weil du dich auf dem Feld über sämtliche Positionen und auch als Trainer in den Dienst der Mannschaft gestellt hast – und wir neben dem Volleyball mit dir einen wertvollen Freund gefunden haben!